Ich bin ausgezogen
Es beginnt mit einem harmlosen Liedchen: In einer kleinen Konditorei,
da saßen wir zwei bei Kuchen und Tee. Doch wenn Bärbel Schmid singt,
kommen einem schnell Zweifel an der Harmlosigkeit. Ob sie den "Abend
ohne dich" besingt oder "Nachts auf hohen Hockern" sitzt, oder die
allgegenwärtige Lust auf Sex und die Bodenlosigkeiten der Liebe
bespricht - Bärbel Schmid lässt uns vor allem dann einen Schauder
über den Rücken laufen, wenn sie ihre Stimme einsetzt - eine Stimme,
die man gehört haben muss.
Ausgezeichnet mit dem Passauer Scharfrichterbeil 1995
- als erste Frau auf dem ersten Platz.
Nix wie hin
Was ist zu tun, wenn man sich plötzlich als Figur in einer Familien-Seifenoper
wiederfindet? In der man sich nicht nur mit den Sauberkeits- und
Lebensentwürfen irgendwelcher Tanten auseinandersetzen muss, sondern in der
auch ge- und vererbt wird auf Teufel komm raus? Und was, wenn man schließlich
vor all diesen Verstrickungen auf eine ferne Insel flieht - und dort
feststellt, dass man doch nur wieder im Alltag gelandet ist? Irgend etwas
ist immer hin: der Kanal verstopft, die Liebe schwierig, das Erbe fragwürdig.
Bärbel Schmid setzt mit ihrem tollen Sopran dem prosaischen Familien- und
Beziehungs-Wahnsinn den poetischen eines Franz Lehar entgegen: "Lippen
schweigen, s`flüstern Geigen: Wir haben uns alle so lieb!"
Wie schon bei ihrem ersten, mit dem Passauer Scharfrichterbeil ausgezeichneten
Soloprogramm "Ich bin ausgezogen" hat Bärbel Schmid wieder ein
Kabarett-Musik-Theater komponiert, in dem sich Sprache, Gesang und Bewegung zu
einem ironischen Spiel verbünden. Mächtige Mittel stehen ihr dabei zur
Verfügung: Eine Sopran-Stimme, die auch zwischen noch so operettenseligen
Notenzeilen Abgründe hörbar macht. Eine Sprachvirtuosität, mit der sie allein
schon durch das Setzen der Wörter den Blick hinter die Fassaden öffnet und
damit auf wohlfeile Pointen verzichten kann. Und wenn Bärbel Schmid dann im
großen Finale "Auf Flügeln des Gesanges" tanzt, ist ein Motto des Abends zur
Drohung geworden: Wir haben uns doch alle so lieb!
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